Erhalt der Backsteinquartiere – Gefährdung

Erhalt der Backstein-Quartiere wie auch von „ELISA“

Architekten, Denkmalschützer wie auch Bürger sorgen sich seit einigen Jahren um Hamburgs „rotes“ baukulturelles Erbe.

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Der Backstein-Feind Nummer 1: Die energetische Dämmung

Seit der vorangetriebenen energetischen Dämmung der roten Quartiere in Hamburg hat sich unser Stadtbild gewaltig und so schnell wie nie verändert. Die vor wenigen Jahren noch zusammenhängende homogenen Backsteinviertel sind inzwischen Mosaike verschiedenster gedämmter Fassaden. So auch in unserem Quartier zwischen dem Hasselbrook-Bahnhof und dem Horner Weg.

Seit einigen Jahren verschwinden durch die energetische Fassadendämmung ganze charaktertypische Straßenzüge. Manches Mal mitsamt der kleinen typische ummauerten Vorgärten. In wenigen Fällen bleibt der „echte Stein- und Arbeiterquartier-Charakter“ erhalten, der jahrzehntelang Hamburg ein typisches Gesicht gab.

kollage gedämmt klBei uns in Hamm-Nord sind gerade um das Elisabethgehölz einige dieser „Auswüchse“ leider deutlich zu sehen. Angefangen von mediteran anmutenden, lachsfarben verputzten Wohnblöcken, bis unseren vhw-Nachbarblöcke, deren Riemchen teils farblich recht kitschig und die gelben Balkone fast playmobilartig wirken. Ein paar Straßen weiter sind die Backstein-Fassaden ganzer Straßenzeilen bei Schrägansicht vom Fußweg durch die großen aufgeständerten Balkone komplett verschwunden.
Vereinzelt, so an der Sievekingsallee, bewirkten Vorgaben der Politik, das die Farbe der Riehmchen zumindest dem alten Stein annähernd entsprach.
ABER: Es ist einfach nicht das Gleiche!

Ein Plädoyer für den Backstein:
Am Elisabethgehölz P1300557Eine Riemchenfassade lebt nicht. Den lebendigen Effekt des Backsteins bei Schräglicht kann man glücklicherweise noch bei einigen Gebäuden um die Caspar-Voigt-Straße begutachten. Wie auch bei Elisa. Hat man sich erst einmal „eingesehen“, entdeckt man verschiedenste Muster und optische Effekte der Fassaden. Zumeist durch die Anordnung von Ankersteinen und Läufern.
Die Backstein-Architektur ist eine eigene Welt, höchst variabel und höchst interessant. Läßt man sich einmal ein, wird Hamburg zum spannenden Entdeckerland. Architekten variierten unter Schumachers Vorgaben Archtitekturelemente, es finden sich Entsprechungen in den Quartieren selbst oder in anderen Stadtteilen.Caspar-Vogt-Str P1300567kl
Wer sich an dem roten Backstein „sattgesehen“ hat, dem sei Altona zu empfehlen, wo Gustav Oelsner – als Pendant zu Fritz Schumacher – Häuserfassaden aus gelben wie auch anders farbigen Steinen errichtete. Ungewohnt für alle „Nicht-Altonaer“, daher seien an dieser dieser Stelle die Vorträge des Vorsitzenden der Gustav-Oelsner-Gesellschaft Herrn Prof. Michelis empfohlen, der für diese Architektur zu begeistern vermag.
Backstein „lebt“ und insbesonders die Originalbauten der 20er/30er Jahre sind oftmals spannende Gebäude. Elisa gehört dazu.

Am Hühnenstein P1300579 mailUnser Viertel zwischen Hasselbrook und Horner Weg war vor wenigen Jahren noch ein zusammenhängendes homogenes Backsteinquartier. Geplant und erbaut in den 1920/30er Jahren. Wurden viele Häuser stark in den Kriegsjahren beschädigt, so wurde sich doch nach dem „alten“ Prämissen des Neuen Bauens wieder aufgebaut. D.h. in der Regel sind die Wohnungen geräumig und hell. So jedenfalls in Elisa.

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Da wir die Dämmungen in unserer direkter Nachbarschaft seit Jahren beobachten, haben wir schon 2008/9 die vhw bzgl. Sanierungsüberlegungen an die Fritz-Schumacher-Gesellschaft verwiesen. Diese hätte eine energetische Sanierungen beratend begleitet. Es hieß damals, gerade wegen der aufwendigen Fassade mit Erkern (Am Elisabethgehölz) und anderen besonderen Balkonen (Chapeaurougeweg) würde die Genossenschaft noch überlegen, wie die energetische Dämmung zu lösen sei.

2011 wußten wir es. Die vhw-Lösung heißt Abriss. Wenn es nach der vhw geht. Nun, 2014 sprechen sich die angesehen Hamburger Denkmalinstitutionen wie der Hamburger Denkmalschutzrat, die Fritz-Schumacher-Gesellschaft sowie die Architektenkammer für den Erhalt Elisas aus und fordern die Unterschutzstellung des Ensembles!

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Der Backstein-Feind Nummer 2: Abriss von Gebäuden der 1920er/30er Jahre

Einige originale Bauten sind bislang der energetischen Dämmung glücklich entgangen. Dennoch muss auch um sie gefürchtet werden. Denn: Abriss könnte Schule machen.
Elisa ist hierfür der Präzedensfall: Nach jahrzehnterlanger Vernachlässigung der Instandhaltung hieß es, nun sei eine Sanierung zu teuer. Nur ein Abriss sei wirtschaftlich. Hamburg selbst befördert diese Entwicklung. Neubauten werden ca. siebenmal höher gefördert als Sanierung. Damit ist den Eigentümern quasi eine Abwrackprämie für ihre Wohnhäuser geschaffen, Verwahrlosung wird mit Steuergeldern belohnt. Dies wäre von der Politik schnell zu ändern, meinen wir. Zudem halten wir die Förderung von Ersatzneubauten aus diesem Grund für Zweckentfremdung der Fördergelder!

Die Folgen für das Hamburger Stadtbild sind fatal, weitere stadtbildprägende Bauten wie auch „nicht erkannte Denkmäler“ oder einfach „vergessene Gebäude“ werden einfach verschwinden.

Es ist begründet zu befürchten, dass in wenigen Jahren zusammenhängende Backsteinquartieren nur noch in den „Schutzgebieten“ der Jarre-Stadt oder Barmbek zu finden sind.

Herr Droßmann (SPD-Fraktionsvorsitzender in Hamburg-Mitte) kündigte bereits im September 2013 auf einer Bezirksversammlung für Hamburg-Horn bis Billstedt an, dass wohl ganze Backstein-Straßenzüge fallen werden. Anscheinend als Vorankündigung des Scholz´sche Entwicklungsprogramms für den Hamburger Osten. Sollten im Osten von Hamburg-Mitte ca. 20.000 neue Wohnungen gebaut werden, so kann man diesem Plan bezgl. des Stadtbilds wie auch sozialen Konsequenzen nicht beruhigt entgegenblicken.
Massive (Ersatz-?)Neubauten und Abrissvorhaben ohne Gentrifizierung scheint eine Utopie zu sein. Wir haben in Hamburg damit Erfahrungen, in Barmbek, in der Schanze, in Wilhelmsburg.

Die Erfahrungen vieler Hamburger Mieterinitiativen* bezgl. der scheinbar „üblichen“ SPD-Handlungsstrategien wie Pseudo-Bürgerbeteiligung, Aushebelungen des Bürgerwillens sowie der Tendenz investorfreundlich anstatt bürgerfreundlich zu entscheiden, lässt u.E. nur auf die nächsten Wahlen hoffen. Es sei denn, die SPD erkennt, das mit dem Erhalt von Bauten wie Elisa ihr Ziel das Backsteinerbe Hamburgs zu erhalten so in die Praxis umgesetzt werden kann.
Auch kann ein Ersatzneubau nicht vom Senat gewollt sein, wenn die Fakten lauten: -21 Wohnungen bei dem Neubau gegenüber dem Altbau. In unserem Fall kommt ein mehrjährigen Entzugs von über 100 Wohnungen während der jetzigen Auseinandersetzung um den Erhalt sowie einer womöglich Neubauzeit noch hinzu.

*(z.B. Langenhorn 73, Reeperbahn 157, Anna Elbe, Esso-Häuser, Berner Gartenstadt, Wir sind Eppendorf) *
Wir meinen, die Lösung wäre:

  • ·Stopp der Abwrackprämie für Wohnhäuser, d.h. Sanierungen müssen ebenso hoch gefördert werden wie Neubauten. Damit wären viele Hamburger Konflikte gelöst und die Sorge um das Backstein-Erbe Hamburgs würde sich verringert. Zudem ist auch aus ökologischer Sicht ist eine Sanierung immer umweltfreundlicher als Abriss und Neubau. Sofern ein Altbau sanierbar und zu betreiben ist, dürfte kein Ersatzneubau bewilligt werden. Die Resourcenverschwendung in Folge steht deutlich den Klimazielen der Bundesregierug entgegen.
    Hier kann die Politik weichen stellen und z.B. Sanierungen ebenso fördern wie Neubauten.
  • Zudem sollte die Stadt Hamburg sich ein Städtebauliches Programm geben, nach dessen Leitlinien vorgegeben wird, was „wir“ in Hamburg für erhaltenswert halten, als auch wie künftig unsere Stadt aussehen soll. Diese stadtbildprägende Entscheidung sollte eben nicht dem meistbietenden Investor überlassen werden.
    Wir meinen, gerade dieser „Masterplan“ dahinter, führt dazu, dass wir heute die Quartiere Schumachers noch immer als äußerst wohnlich empfinden!
  • Das Instrument Denkmalschutz ist gefragt. Gerade im Hamburger Osten sieht die Anzahl der ausgesprochenen Denkmäler mager aus. Da hier jedoch die Kriegszerstörungen am Größten waren, ist die Unterschutzstellung der wenigen erhaltenen Originalbauten der 1920er/30er das Gebot der Stunde. Dann würde auch das Alleinstellungsmerkmal Hamburgs, der rote Backstein, womöglich doch erhalten bleiben.

2 Gedanken zu „Erhalt der Backsteinquartiere – Gefährdung

  1. Ömer Humbaraci Artikelautor

    “Die Bewohner von St. Pauli betrifft es genauso wie die im Karoviertel, in St. Georg und Ottensen. Wütend und hilflos müssen sie mit ansehen, wie Quartiere zu Szenevierteln mutieren, Mieten und Wohnungspreise steigen, die alteingesessene Bevölkerung wegzieht. Gentrifizierung nennt die Wissenschaft den Prozess, die Immobilienbranche spricht von Aufwertung, der Volksmund nennt es Yuppisierung.

    Die Viertel hoffen nun auf die Heilkraft des Instruments “Soziale Erhaltungsverordnung”. Die Genehmigungsverfahren stehen für mehrere Stadtteile vor dem Abschluss. “Damit haben wir ein wirksames Instrument in der Hand, um die Bevölkerung vor Luxusmodernisierung und nachfolgender Verdrängung zu schützen”, sagt Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD).”

    Hier weiter lesen:

    http://www.abendblatt.de/ratgeber/wohnen/article2089745/Fuer-den-Erhalt-
    des-urspruenglichen-Mieters.html

  2. Elke Sommerfeld Artikelautor

    Drei (und mehr) Aspekte gäbe es zu kommentieren. Den der Baukultur, den der Gentrifizierung und Segregation und den des Selbstverständnisses von Genossenschaften und Genossen. Ich beschränke mich ausdrücklich, ohne die anderen deshalb als weniger wichtig zu bewerten, auf Ersteren.

    Als Ur-Hamburgerin und Architektin sehe ich seit Jahren mit Schrecken, wie sich das Gesicht Hamburgs durch die Modernisierungswelle – provokant ausgedrückt: die allseits grassierende „Dämm-Wut“ – verändert, an vielen Stellen in eine Entstellung des „vertrauten“ Stadtbildes und den Verlust oft unscheinbarer, aber dennoch vorhandener alltäglicher Baukultur mündet. Betroffen sind davon nicht nur die anerkanntermaßen, im umfassenden Sinne baugeschichtlich, d.h. auch die für die Entstehung von Gebäude und Stadtstruktur bestimmenden politischen, gesellschaftlich-sozialen und ökonomischen Bedingungen einbeziehend, wertvollen Stadtquartiere und Bauten der zwanziger Jahre, sondern auch die der fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Ein relativ gesichertes Dasein führen – glücklicherweise – die Schaufassaden der gründerzeitlichen Quartiere.
    Klimaschutz und Ressourceneinsparung sind ohne Frage ein wichtiges Ziel, so sie denn Motivation gesetzgeberischer sowie öffentlicher / privater baulicher Maßnahmen sind und im Gegenzug nicht durch ein Mehr an durch diese Einsparungen finanzierbaren Ressourcenverbräuchen unserer auf Wachstum ausgerichteten Gesellschaft in einer Gesamtbilanz ad absurdum geführt werden. Auch veränderten Wohnbedürfnissen und dem Wunsch nach mehr Komfort darf Tribut gezahlt werden.
    Auf der anderen Seite steht aber ein, bis auf als denkmalwürdig erkannte und geschützte solitäre Sonderbauten, Wohngebäude und -quartiere, flächendeckend drohender Verlust an alltäglichem baukulturellen Erbe und – auf das Erleben des Bewohners bezogen: Verlust an Vertrautheit. Besonders bitter ist dies in Bezug auf die ungeschützten zerstörten oder trotz Schutz und bester Absicht entstellten Wohnbauten der Zwanziger. Aber auch in Bezug auf die bisher immer noch kaum als erhaltenswert betrachteten Bauten der Fünfziger und Sechziger trifft dies zu. Insbesondere für zahlreiche Gelbstein-Bauten der Nachkriegs-Moderne, aber auch die schlicht daher kommenden, ganze Stadtteile füllenden Rotstein-Bauten, die Hamburgs Gesicht über Jahrzehnte präg(t)en. Mit weniger oder mehr Detailreichtum, immer aber durch die Homogenität eines lebendigen, im Licht changierenden Materials stehen bzw. standen sie für ein geschlossenes, ruhiges, aber dennoch ansprechendes Stadtbild und dokumentierten baulich die Zeit und Gesellschaft des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders.

    Und nun lese ich, dass in dem in dieser Hinsicht aus meiner Sicht schon mehr als Genug gebeutelten Hamm-Nord dieses Schmuckstück zur Disposition steht! Sollte es zum Abriss kommen oder auch „nur“ zum „Einwickeln in WDVS“, wäre dies mehr als frevelhaft.
    Bleibt zu hoffen, dass sich die Eigentümerin vhw- und mit ihr alle Beteiligten – besinnt und nicht nur an den kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil der Genossenschaft denkt, sondern auch ihre, als Eigentümerin einer solch schützenswerten Immobilie, durchaus vorhandene (bau-) kulturelle Verantwortung wahrnimmt.
    Bleibt darüber hinaus zu hoffen, dass der „Fall Elisa“ weit über Hamm hinaus Aufmerksamkeit erregt und zu einer breiten, kritischen Reflexion des „Dogmas“ Energieeinsparung im Bezug auf den Umgang mit mehr oder auf den ersten Blick vielleicht auch weniger schützenswerter Bausubstanz führt. Gute Beispiele gibt es ja durchaus.

    Und: „Weniger“ kann oft immer noch genug oder auch „mehr“ sein.

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